Vorwerk: Foto: Eine Nahaufnahme von einem Blatt.

Ein Bericht

Wenn die Natur die Technik inspiriert

Was hat ein Eisvogel mit japanischen Hochgeschwindigkeitszügen und ein Haifisch mit dem Flugzeugbau zu tun? Oder ein Tiger mit dem Thermomix® Peeler? Diese drei Tiere haben Ingenieurinnen und Ingenieure zu einzigartigen Erfindungen inspiriert. Das nennt man Bionik. Der Begriff setzt sich aus den Wörtern Biologie und Technik zusammen. Unser ganzes Leben ist bestimmt von der Technologie, die bei der Natur abgeschaut ist. Maschinenbau-Ingenieur Dr. Michael Kroh, der den Bereich der Werkstofftechnik in der Forschung & Entwicklung leitet, verrät, bei welchen Vorwerk Produkten die Tier- und Pflanzenwelt das Vorbild war.
 

Das weite Feld der Bionik, wie man das Nachahmen von Naturprinzipien nennt, ist ihm seit seinem Maschinenbau-Studium vertraut. Wie weit verbreitet die bionische Methode ist, die die Fachbereiche Naturwissenschaften, Ingenieurswesen, Architektur und Design vereint, wissen nur die wenigsten Menschen. Dabei ist sie überaus spannend.

Die Natur hat Millionen Jahre an Entwicklungs­vorsprung – warum sollten wir dieses Wissen nicht nutzen?

Dr. Michael Kroh, Werkstoffexperte
Vorwerk: Foto: Ein Mann in weißem Hemd und blauem Jackett lächelt in die Kamera. Er ist der Ingenieur, um den es in der Story geht.

Maschinenbau-Ingenieur Dr. Michael Kroh ist in Fulda geboren, seit 2016 bei Vorwerk und zudem Dozent für Kunststofftechnik an der Universität Wuppertal. Er leitet das neunköpfige Engineering-Team, das sich um alles im Bereich der Werkstofftechnik kümmert, und ist außerdem mitverantwortlich für Nachhaltigkeitsthemen.

Vögel als
ideale Vorbilder

Vorwerk: Foto: Das Bild zeigt einen wunderschönen Eisvogel in Nahaufnahme.

Der kleine Eisvogel mit seinem langen Schnabel stand den Ingenieurinnen und Ingenieuren Modell …

Vorwerk: Foto: Auf dem Bild ist die Front eines fahrenden japanischen Hochgeschwindigkeitszuges abgebildet.

… bei der Konstruktion der Front des japanischen Hochgeschwindigkeitszugs Shinkansen.

Bereits der italienische Universalgelehrte Leonardo da Vinci orientierte sich bei seinen Fluggeräten an Vögeln. Auch der deutsche Flugpionier Otto Lilienthal (1848–1896) konzipierte sein Flugzeug anhand der Prinzipien des Auftriebs und der Luftströmung des Federviehs. Er baute ein Vogelgerippe nach und spannte darüber eine dünne Stoffschicht.

Der menschliche Schöpfergeist kann verschiedene Erfindungen machen (...), doch nie wird ihm eine gelingen, die schöner, ökonomischer und geradliniger wäre als die der Natur.

Leonardo Da Vinci (1452-1519)

Bleiben wir bei der Gattung der Vögel. Der kleine Eisvogel mit seinem langen Schnabel stand für die Front des japanischen Hochgeschwindigkeitszugs Shinkansen Modell. Das aerodynamische Design mit einer langgestreckten, nasenartigen Bugform verursacht weniger Lärm, wenn der Zug aus einem Tunnel kommt.

Vögel können aber ja überhaupt nur fliegen, weil sie so leicht sind. Ihre Federn sind außen enorm stabil und innen hohl. Wie die Skelettknochen auch. Die haben im Inneren eine schwammartige, löchrige Struktur und sind damit so leicht wie möglich, aber so stabil wie nötig gebaut. Wie bei allen Säugetieren auch beim Menschen. Diese Leichtbauweise diente Gustave Eiffel (1832–1923) als Vorlage für den Bau seines Eifelturms.

Blätterwerk für die
Kobolde

Vorwerk: Foto: Das Foto zeigt die Nahaufnahme eines Baumblatts, durch das die Sonne schimmert.

In der Natur verfügen alle Blätter über eine Rippenstruktur.

Ein Produktfoto von der Glasdüse

Vorwerk nutzt das Modell der natürlichen Rippen in fast jedem Bauteil, auch beim Kobold.

„Ähnlich den sogenannten Hohlstrukturen können wir dies auf Elemente wie beispielsweise die Staubsaugerrohre, Gehäuse- oder Strukturbauteile übertragen“, sagt Dr. Kroh. Um mit möglichst wenig Material maximale Stabilität zu erreichen, „nutzen wir das Modell der natürlichen Rippen zur Versteifung“, so der Ingenieur weiter. Natürlicherweise kommt das Modell bei allen Blattstrukturen vor. „Erhöhung des Flächenträgheitsmomentes durch Rippen“ nennt sich dies im Fachjargon. „Vereinfacht ausgedrückt, nimmt man einen vollständig gefüllten Stab, doch baut ihn dann mit demselben Materialvolumen als offenes Rohr, sodass es außen versteift, das Rohr also deutlich biegesteifer ist. Ein anderes Beispiel ist ein Blatt Papier, das in der Mitte gefaltet wird. Auch dieses biegt sich dann nicht mehr so einfach durch.“

Diese Technik steckt bei Vorwerk in fast jedem Bauteil. „Ob Kobold oder TM7, diese genialen Verrippungen finden sich überall“, begeistert sich Dr. Kroh. Und sie werden immer noch weiter optimiert. Die Kombination aus hoher Stabilität und gleichzeitiger Leichtigkeit spielt vor allem bei den Handstaubsaugern eine gewichtige Rolle. Aber auch der Thermomix® wäre weniger elegant ohne die filigranen Leichtbaustrukturen.

Bionik bedeutet, die Natur nachzuahmen und technische Prinzipien daraus abzuleiten. In fast allen unseren Produkten ist diese Methode enthalten.

Dr. Michael Kroh, Leiter Werkstofftechnik in der Vorwerk Forschung & Entwicklung bei den Vorwerk Elektrowerken

Vorwerk nutzt die Bionik erfolgreich, um Produkte intelligenter, effizienter und nachhaltiger zu machen. „Weniger Material, höhere Leistung, längere Haltbarkeit – all das lässt sich mit den cleveren Naturvorbildern erreichen“, so Dr. Kroh. Ein anschauliches Beispiel: die Zunge des Tigers. Sie ist mit winzigen, nach hinten gerichteten Hornstacheln überzogen, die Papillen heißen. Sie bilden eine raue, schmirgelpapierartige Oberfläche, mit der Tiger mühelos Fleisch von Knochen lösen und ihr Fell reinigen können.

Effizient wie eine
Tigerzunge

Vorwerk: Foto: Eine Nahaufnahme ein Tiger abgebildet, der sich mit seiner rauen Zunge das Fell leckt und rechts der Thermomix® Peeler.

Die Zunge des Tigers besitzt eine raue, schmirgelpapierartige Oberfläche.

Vorwerk: Foto: Ein Zubehör zum automatischen Schälen von Gemüse und Obst.

Davon inspiriert, entwickelte Vorwerk den Peeler für den Thermomix®.

Davon inspiriert, entwickelte Vorwerk den Peeler für den Thermomix®, der ohne klassische Klinge arbeitet. Seine mikrostrukturierte Oberfläche entfernt Schalen sanft, aber effektiv – ohne Materialverschwendung bei den Lebensmitteln.

Dr. Krohs Begeisterung für Bionik ist verständlich, betrachtet man die faszinierenden Adaptionen. Nun, die Evolution „gestaltet“ seit mehreren Millionen Jahren Lebewesen, die sich perfekt an verschiedenste Umweltbedingungen angepasst haben. Giraffen haben einen so langen Hals, damit sie besser an die leckeren Blätter ganz oben kommen. Oder das Chamäleon hat seine farbliche Anpassungsfähigkeit, um sich vor Feinden zu verstecken.

Aus der Tierwelt in
die Technik

Vorwerk: Foto: Ein Termitenhügel.

Termitenhügel besitzen eine ressourcenschonende Architektur zur Thermoregulation.

Vorwerk: Foto: Ein Gebäude mit zahlreichen Fenstern und Balkonen, das eine moderne Architektur präsentiert.

An diesem Vorbild orientieren sich moderne Gebäude wie das Eastgate Centre in Harare/Simbabwe.

Lust auf mehr? Gern doch! Vom Lotus-Effekt hast du vielleicht schon gehört. Die Lotuspflanze lässt Wasser abperlen und weist Schmutz ab. Daraus wurden wasserabweisende Oberflächen und Materialien für Textilien und selbstreinigende Fassadenbeschichtungen entwickelt.

Termitenhügel besitzen eine ressourcenschonende Architektur. Die Innentemperatur des Hügels bleibt konstant, weil er natürliche Belüftung und Thermoregulation nutzt. Dies inspirierte zum Entwurf von modernen Gebäuden wie dem Eastgate Centre in Harare in Simbabwe. Ein markantes Bürogebäude, das die passive Klimatisierung nutzt, was immens den Energieverbrauch senkt.

Auch das Wohnhaus der Bienen führte bereits zu großartigen Projekten. Die Wabenstruktur eines Bienenstocks, der aus regelmäßigen Sechsecken besteht, ist materialsparend und gleichzeitig von hoher Festigkeit. Ingenieurinnen und Ingenieure haben daraus Honeycomb-Verbundwerkstoffe für Luftfahrt – beispielsweise im Airbus A380 eingesetzt – und Automobilindustrie hergestellt.

Kein Ende in Sicht

Vorwerk: Foto: Eine Nahaufnahme von einem Hai.

Die Haut von Haien verringert den Wasserwiderstand und erleichtert die Bewegung durch die Wellen.

Vorwerk: Foto: Ein Surfer im Neoprenanzug auf seinem Surfbrett in einer großen Welle im Meer.

Für hohe hydrodynamische Effizienz stand sie Pate bei Sportkleidung wie Surfanzügen, bei Schiffsdesigns und beim Flugzeugbau.

Die Haut von Fischen, vor allem von Haien, inspirierte zu Materialien mit geringem Widerstand und hoher hydrodynamischer Effizienz. Hast du zufällig mal einen Hai gestreichelt? Mit den Schuppen fühlt sich die Haut an wie Samt, gegen den Strich wie Schmirgelpapier. Haifischhaut verringert den Wasserwiderstand und erleichtert die Bewegung durch die Wellen. Sie stand Pate bei Sportbekleidung wie Schwimmanzügen sowie bei Schiffsdesigns.

Der technologische Fortschritt beschleunigt das Tempo der Bionik. Die Erfindungen helfen, unser modernes Leben einfacher und effizienter zu machen.

Der Aspekt der Nachhaltigkeit ist Dr. Michael Kroh besonders wichtig. In der Natur bleiben Stoffe im Kreislauf. Mit Recycling und biobasierten Materialien können wir dieses Prinzip nutzen und fossile Ressourcen schonen. Dies tun wir teilweise heute schon, indem wir beispielsweise Kunststoffe einsetzen, die aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Wer weiß, was ihm die Natur zukünftig noch in die Hände spielt.